Das Raunen der Toten / Oliver Becker

Abel setzte seinen Weg fort, den Mantel in einer Hand, und es dauerte nicht lange, bis er vor der Frau stand. Sie lag auf dem Rücken. Das rote Kleid war bis zum Bauchansatz hochgeschoben, die Unterwäsche zerrissen. Abel sah die Würgemale an ihrem Hals. Er ging in die Knie und starrte in die leeren toten Augen. Rasch erhob er sich wieder. Jetzt nahm er die Kälte zum ersten Mal so richtig wahr. Es wurde Winter. (Zitat S. 9/10 – Stil-Beispiel)


Überraschung!  So und nicht anders bin ich in den Besitz dieses kriminalistischen Romans gekommen. Oliver Becker, von dem ich schon einige Bücher gelesen habe, hat mir sein neuestes Werk zukommen lassen. Wie mir „Das Raunen der Toten“ gefallen hat? Nun lasst mich euch in die 30er Jahre entführen und entscheidet selbst, was ihr von dem Buch haltet.

'''o0o OPTK o0o'''
Nein, das Cover ist so gar nicht mein Geschmack. Im Laden hätte ich sofort weitergeschaut und es mir nicht einmal gemerkt. Das Gebäude, was durch die Nacht recht geheimnisvoll wirkt, ist ja noch in Ordnung, aber dieses künstlich eingefügte, beleuchtete Fenster wirkt gänzlich deplatziert. 

'''o0o FIGUREN o0o'''
Christian -  wuchs im Dorf auf, hatte eine Liebschaft mit der Toten
Choya -  Tote Hure, die aus Kanada mit Christian mitgekommen ist
Abel – Freund von Christian, weiß mehr als er sagt
Vera – wuchs im Dorf auf, verheiratet mit einem Autor, weiß ebenfalls mehr
Piet – Wirt der Dorfkneipe

'''o0o INHALTLICHE FAKTEN o0o'''
Ort: Deutschland
Zeit: 30er Jahre
Perspektive: Dritte Person, verschiedene Charaktere
Alter der Figuren: 30-45

'''o0o WORUM GEHT ES? o0o'''
Choya wird ermordet auf einem Friedhof aufgefunden. Entblößt, ermordet und zurückgelassen. Als Christian so seine Geliebte findet, nimmt er sie sofort mit, weil er sie nicht so liegen lassen kann. Das es für die Polizei so schwerer ist den Täter zu finden ist ihm egal. Er glaubt eh nicht daran, dass diese sich die Mühe machen wird genau zu ermitteln. Schließlich ist Choya erst kürzlich mit Christian aus Kanada eingereist und zudem hat sie ihr Geld als Prostituierte verdient. Wer alles zu ihren Kunden zählte, weiß niemand. Christian fängt deswegen an selbst zu ermitteln, und überschreitet gerne Grenzen, um die Wahrheit herauszufinden. Warum musste Choya nur sterben?

'''o0o WIE HAT ES MIR GEFALLEN? o0o'''
„Das Raunen der Toten“ ist ein Kriminalroman, der schon etwas klassisches hat. Das liegt daran, dass das Buch in den 30er Jahren spielt, und diese Fälle noch etwas klassisches vermitteln.

Nicht nur deswegen, sondern gerade wegen der Zeit, in der der Krimi spielt, hatte ich mich sehr auf das Buch gefreut. Meine Mutter ist in den 30er Jahren geboren, und empfinde ich es immer interessant mehr über diese Zeit zu lesen. Und genau hier liegt eins der Probleme des Buches. Ich erkenne diese Zeit in den Schilderungen einfach nicht wieder. Es sind zwar ein paar Aussagen dabei, die darauf schließen lassen, aber irgendwie könnten es auch Hinterwäldler sein, die wenig mit der Moderne zu tun haben wollen. Unter anderen Umständen wäre es mir egal, aber zum einen die Zeit, mit der ich mich verbunden fühle, und zum anderen der Autor, der eigentlich längst vergangene Zeiten stets authentisch und greifbar schildert. Ich bin es von Oliver Becker einfach nicht gewohnt, dass ich die Zeit nicht klar herauskennen kann.

Gleiches gilt für die Figuren. Es fallen viele Namen, die es erst einmal unterzubringen gilt. Mit Verhören und kleineren Besuchen werden die wichtigsten Figuren in Szene gesetzt, aber da sie immer erst nach und nach etwas verständlicher präsentiert werden, ist es mir schwer gefallen, mich auf sie einzulassen. Zudem bin ich durch die große Gemeinschaft oft mit den Namen durcheinander gekommen.

Bei einer Hure gibt es viele Verdächtige und theoretisch sorgt der Autor immer wieder für eine neue Fährte, sodass ich als Leser selbst überlegen kann, was auf dem Friedhof passiert ist. Da mir die Tote aber keineswegs sympathisch ist und auch nicht ihr Freund Christian, macht es im Verlauf immer weniger Spaß den Grund für ihren Tod zu erfahren. Wer nun denkt, dass es an ihrem Beruf liegt, dem sei versichert, dass dies nicht der Fall ist.

Zudem mangelt es mir persönlich an Spannung. Durch die Szenenwechsel kommt in diesem Fall wenig Spannung auf. Nach den ersten 50 Seiten war es nur dieser zeitliche Aspekt, der mich irritiert hat. Die klar differenzierten Verhöre und die vielen Tatverdächtigen haben mich am Anfang gereizt. Nach gut 100 Seiten war dieser Reiz aber verschwunden. Erschwerend kommt hinzu, dass ich in einem schwachen Moment die letzten Seiten nach der letzten Kapitelzahl durchblätter und auch ein paar Sätze quergelesen habe. Nachdem ich dort auf einen Fakt zum Täter gelesen hatte, nein, nicht wer es war, sondern eher verhaftungstechnisch betrachtet, war die Geschichte schon für mich durch. Normalerweise würde mich dieses Wissen nicht stören, denn der Weg zum Ziel ist ja das Wichtigste, aber wenn man mit dem Buch nicht so warm wird, und dann noch so etwas liest, löst es in mir Widerstand aus.

Wer schon mal einen Krimi von Oliver Becker gelesen hat, würde hier seinen ersten Roman vermuten. Es fehlt einfach etwas, dabei lässt es sich leicht lesen, und die vielen, kurzen Kapitel empfand ich als unglaublich angenehm. Trotzdem habe ich mich bis zum Schluss durchgekämpft. Es war für mich persönlich kein Kampf, der sich noch bezahlt gemacht hat. Der Wow-Effekt ist ausgeblieben und auch wenn der Schluss okay ist, hat er mich nicht vom Hocker gehauen.

Alles in allem ist es der erste Roman von Oliver Becker, der mich nicht restlos überzeugt hat. Es sind wie gesagt Kleinigkeiten, die den klassischen Kriminalfall nicht im perfekten Licht erstrahlen lassen. Vom Stil lässt er sich gut lesen und die Idee ist mit Sicherheit alles andere als verkehrt. Dementsprechend empfehle ich das Buch allen, die sonst von dem Autoren begeistert sind. Es ist schließlich subjektiv und wer weiß, vielleicht gefällt euch das Buch auch einfach besser. 



Abschließend möchte ich noch etwas abseits des Inhaltes erwähnen, und zwar geht es um die Qualität des Buches. Wer wie ich zur Entspannung in der Badewanne liest, sollte es nicht machen. Schon minimale Feuchte beim Einlaufen verzieht das Buch minimal. Für Sammler denke ich mal, könnte das ein wichtiger Hinweis sein.


'''o0o BUCHFAKTEN o0o'''
Autor: Oliver Becker
Titel: Das Raunen der Toten
Broschiert: 340 Seiten
Verlag: ars vivendi verlag GmbH & Co. KG (31. Januar 2015)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3869135026
ISBN-13: 978-3869135021
Preis: € 10,90
Genre: Krimi, 30er Jahre
Gelesen in: 3 Tagen 


Ich bedanke mich trotzdem bei Oliver Becker für das Rezensionsexemplar.

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